Wie nachhaltig ist dein Urban-Jungle?

Nach Jahren des cleanen und minimalistischen Wohnens feiern Zimmerpflanzen gerade ihr großes Comeback. Der Wohntrend Urban Jungle spiegelt die Sehnsucht der Großstädter nach der Natur wider. Pflanzen ziehen in Stadtwohnungen ein, je mehr und je exotischer, desto besser. Aber nur weil wir uns die Natur in die eigenen vier Wände holen, heißt das nicht, dass wir der Natur damit etwas Gutes tun. Und das hat nicht nur mit dem Verpackungsmüll zu tun.


In diesem Artikel:

  • Überblick
  • Welche Probleme hat der exotische Urban Jungle Trend?
  • Pestizide in Grünpflanzen?
  • Siegel für Zierpflanzen?
  • Nachhaltige Zimmerpflanzen?
  • Bio Zimmerpflanzen – vor der Lösung das Problem
  • Alternativen zum Pflanzen Neukauf
  • Unsere Mission 

Überblick 


Grüne Pflanzen machen das Zuhause wohnlich und liegen voll im Trend. Kein Wunder, denn Zimmerpflanzen verschönern unser Zuhause und wirken sich positiv auf unsere Stimmung aus.


Laut Statista gaben Menschen in Deutschland im Jahr 2020 etwa 9,4 Milliarden Euro für Blumen und Pflanzen aus.


Wahnsinn, oder? 

Doch was auf dem ersten Blick als sehr nachhaltig und grün erscheint, ist bei genauerem Hinsehen leider nicht mehr sehr nachhaltig und ökologisch. Um die große Nachfrage zu decken, braucht es viele Rohstoffe und Arbeitskräfte. Darunter leidet oft genau das, was wir in unseren Wohnungen als Deko-Elemente unterbringen - die Natur.


Welches Problem hat der exotische Urban Jungle Trend?


Bei Zimmerpflanzen spielen Trends eine große Rolle. Waren es in den 80er-Jahren die Palmen, die unser Zuhause eroberten, sind es 2021 tropische und exotische Pflanzen wie die Monstera, die Calathea, die Strelizia oder auch die Geigenfeige. Leider sind die meisten tropischen Trendpflanzen nicht besonders nachhaltig und ökologisch.  

Die meisten Samen und Jungpflanzen stammen oft aus Ägypten, Äthiopien, Kenia oder Costa Rica. Dort sind die klimatischen Verhältnisse besonders gut für die Pflanzenzucht geeignet. Erst nach der Anzucht kommen sie dann nach Europa. (Quelle: BUND)


Das Problem:

  • der Transport ist schädlich fürs Klima
  • die Arbeitsbedingungen in diesen Ländern sind oft nicht fair – niedrige Löhne, keine Schutzausrüstung beim Arbeiten mit Pestiziden, etc. 

Leider ist es nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wo die exotische Pflanze herkommt. Der Pflanzenpass, der auf jedem Topf klebt, gibt leider nur darüber Auskunft wo die Pflanze zuletzt weiter gewachsen ist – nicht das Ursprungsland der Pflanze. 


Aber auch wenn die Pflanzen komplett aus der EU stammen, ist ihr ökologischer Fußabdruck oft groß. Denn um tropische Pflanzen hier zu kultivieren müssen die feuchtwarmen Bedingungen des Herkunftslandes hergestellt werden. Dafür werden oft riesige Gewächshäuser genutzt, die sowohl viel Wasser als auch Strom benötigen.


Pestizide in Grünpflanzen?


Was beim Gemüse und Obst lange Zeit galt und oft noch gilt, ist bei Pflanzen nicht anders:: Sie müssen perfekt aussehen – fleckenfreie Blätter, satte Farben, kräftige Stengel, symmetrisch im Wuchs.


Beim traditionellen Pflanzenanbau kommen oft Pestizide zum Einsatz. Außerhalb Europas sind die Richtlinien für deren Einsatz, oft nicht so streng geregelt. Aber auch wenn es bei Zierpflanzen Bestimmungen für den Einsatz von Pestiziden bei der Produktion gibt, gibt es keine Grenzwerte für die Pestizidrückstände auf der Pflanze, wenn sie verkauft wird.


Der Begriff "Pestizide" stammt vom englischen Wort "pests" (Schädlinge). Er umfasst viele unterschiedliche chemisch-synthetische Stoffe und Stoffkombinationen, die giftig auf unerwünschte Tiere oder Pflanzen wirken.  (Quelle: BUND)


Und so werden gegen Läuse und Raupen Insektizide gespritzt, gegen Pilze kommen Fungizide zum Einsatz. Auch chemische Stauchungsmittel, die die Pflanze nicht zu groß aber blatt- und blütenreich machen, werden gerne verwendet. Die Arbeiter*innen in den Produktionsländern sind ihnen oft schutzlos ausgeliefert.


Pestizide gelangen aber nicht nur im Anbaugebiet ins Wasser und in die Luft und schädigen dort die Umwelt und das Ökosystem. Pestizide kommen mit dem Pflanzenimport nach Europa – und so zu dir nach Hause.


Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat 2014 in einer Studie herausgefunden, dass Pflanzen aus Supermärkten, Gartencentern und Baumärkten zu 98 Prozent Rückstände von Pestiziden aufweisen. Insgesamt seien 36 verschiedene Pestizide nachgewiesen worden, darunter 13, die hierzulande nicht für Zierpflanzen eingesetzt werden dürfen.



Siegel für Zierpflanzen?


Einige Pflanzen kommen mit einem Siegel daher. 

Bekannte Siegel sind:  


Das Fairtrade Siegel kommt häufiger bei Schnittblumen, eher noch selten bei Zimmerpflanzen zum Einsatz. Es besagt, dass die Arbeitenden fair bezahlt und über Risiken informiert werden, Schutzkleidung tragen und sich gewerkschaftlich engagieren können.


Das MPS (Milieu Programma Sierteelt –zu deutsch Umweltprogramm Zierpflanzen) kommt aus den Niederlanden und ist für den gesamten Gartenbau gültig. Die Züchter achten sowohl auf Umweltaspekte beim Anbau als auch auf soziale Kriterien entlang der gesamten Lieferkette. 


Das Global G.A.P. Siegel ist eine Zertifizierungen für Blumen und Zierpflanzen. Die teilnehmenden Unternehmen setzen sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen ein. Sie dürfen ihre Produkte mit dem GGN Siegel ausstatten, das für zertifizierten Zierpflanzenanbau steht. Über eine Identifikationsnummer kann die Herkunft der Blume oder Pflanze zurückverfolgt werden und mehr über die Unternehmen erfahren werden. 


Pflanzen mit dem österreichischen AMA-Gütesiegel für Blumen und Zierpflanzen sind garantiert in Österreich gewachsen, getopft, sortiert und verpackt. Damit sind die Pflanzen unter den klimatischen Bedingungen der jeweiligen Region gewachsen, standortangepasst und besonders vital. Pflanzenschutzmittel, sprich Pestizide, dürfen laut AMA nur dann eingesetzt werden, wenn es unbedingt notwendig ist, wobei der Einsatz genau dokumentiert werden muss und kontrolliert wird.


Neben diesen Siegeln gibt es noch die Bio Siegel die auch schon aus dem Lebensmittelbereich bekannt sind: Demeter, Naturland, Bioland und das EU-Biosiegel. 


Nachhaltige Zimmerpflanzen?


Online gibt es mittlerweile einige Shops, die damit werben, nachhaltige Zimmerpflanzen zu verkaufen – und damit, dass die Züchter sich verschiedenen Richtlinien verschrieben haben. Diese Züchter setzen auf alternative Technologien: Erdwärme, Sonnenkollektoren, natürliche Schädlingsbekämpfung, die Verwendung von aufgefangenem Regenwasser.


Nachhaltigkeit ist in diesen Zusammenhang kein exakt definierter Begriff. Es ist nicht immer klar, an welche Vorgaben sich die Aufzuchtbetriebe halten müssen.


Für Verbraucher ist kaum zu erkennen, was hinter den Siegeln steckt. Begriffe wie 'nachhaltige Produktion' sind nicht geschützt, das ist eine Nullnummer." (sagt Pestizid-Expertin Hölzel vom BUND)

Innerhalb der Siegel gibt es zwar Abstufungen und die Unternehmen versuchen etwas zu ändern, aber was das konkret bedeutet, wird oft nicht ersichtlich. 


Das oft verwendete MPS-Zertifikat beispielsweise reguliere nicht, welche Mittel ein Unternehmen einsetzen darf und wie umweltschonend diese sind. Nur die Bio-Zertifizierung gewährleistet, dass keine chemisch synthetischen Dünger, Pflanzenschutzmittel und Hemmstoffe im Betrieb eingesetzt werden. (Frankenberg von Bioland)


Wenn du bei deinem Urban Jungle also sicher gehen willst, solltest du dir Zimmerpflanzen mit Bio-Labels suchen: Demeter, Naturland, Bioland und das EU-Biosiegel. 


Bio Zimmerpflanzen – vor der Lösung das Problem

Slow-Food und Slow-Fashion haben sich bereits einen Namen gemacht. Bei Pflanzen gibt es bislang noch kein Umdenken. Bio-Zimmerpflanzen sind bislang auf dem Markt noch eine Seltenheit.

Da aber gerade Millennials großen Wert auf nachhaltige und ökologische Produkte legen, ist die Nachfrage nach ökologischen Zimmerpflanzen hoffentlich nur eine Frage der Zeit.


Wer im Gartencenter oder Baumarkt eine nachhaltig aufgezogene sprich ökologische Zimmerpflanze finden möchte, muss motiviert und geduldig sein. 


Der Anteil an Bio-Qualität liegt gerade mal bei 1,7 Prozent.  (Agrarmarkt Informations-GmbH (AMI)) 


Mit Bio-Siegel Zertifizierte Pflanzen sind:

  • frei von chemischen Pflanzenschutzmitteln
  • frei von synthetischen Düngern
  • frei von Herbiziden
  • frei von Gentechnik
  • frei von chemischen Hemmstoffen, die Pflanzen künstlich klein und kompakt halten
  • umweltschonend produziert und transportiert
  • in Erden mit geringem Torf-Anteil gewachsen

Neben dem Verzicht auf chemische Pestizide wird bei den mit Bio-Siegeln zertifizierten Pflanzen auf torfhaltige Blumenerde verzichtet – oder deren Anteil in der Erde reduziert. Der Abbau von Torf aus zumeist weißrussischen Mooren ist für die Umwelt nämlich ein großes Problem.

Beim Abbau wird diese Ökosystem meist vollkommen zerstört. Viele Tiere und Pflanzen verlieren so ihren Lebensraum. Gleichzeitig wird enorm viel Kohlenstoff, der im Moor gespeichert ist, als CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Und weil Torfböden nur einen Millimeter pro Jahr nachwachsen, ist es nahezu unmöglich, die riesigen Flächen wiederherzustellen.


Die heimischen Moorlandschaften bedeckten ursprünglich mit 1,5 Millionen Hektar eine Fläche von 4,2 Prozent der Landfläche Deutschlands. Heute sind sie zu 95 Prozent entwässert, abgetorft, bebaut oder landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzt. Diese Moore gelten als „tot“.” (Quelle: NABU)


Es lohnt sich aber in Bio-Gärtnereien oder Naturkostläden zu gehen um das Pflanzenangebot zu checken. Etwa 200 Bio-Gärtnereien produzieren in Deutschland ohne chemisch-synthetische Mittel – allerdings überwiegend Kräuter, Balkon- und Beetpflanzen. Zimmerpflanzen zu finden ist Glückssache. Und dann kann man davon Ausgehen, dass es sich nicht um die Instagram Stars wie die Calathea oder die Geigenfeige handelt. Die nächste Bio-Gärtnerei kann auf bio-zierpflanzen.de gefunden werden.

Dennoch gibt es gute Nachrichten: Trendpflanzen wie Monstera,Calathea, Grünlilien und Efeututen lassen sich prinzipiell in Bio-Qualität kultivieren.


Alternativen zum Pflanzenkauf

Auch bei Pflanzen gilt der Grundsatz: Secondhand ist in der Regel nachhaltiger als ein Neukauf. Es gibt immer mehr Möglichkeiten an gebrauchte und nicht mehr gewollte Zimmerpflanzen zu kommen: Netzwerke wie eBay Kleinanzeigen, Facebook-Gruppen oder Nachbarschaftsapps wie nebenan.de. 

Aber auch Pflanzentauschbörsen werden immer beliebter. Das Angebot reicht vom Samen über Stecklinge bis zur großen Pflanze.